Als Fotograf bin ich täglich mit Bildern konfrontiert, die nicht nur ästhetische Qualitäten besitzen, sondern auch eine tiefere Bedeutung transportieren (sollen). Gleichzeitig beschäftige ich mich durch meine Promotion wissenschaftlich mit Bildern und deren Sinnproduktion. In diesem Beitrag möchte ich skizzieren, warum Bildstrukturen in der Kommunikation so wichtig sind und warum Bilder durch sie mehr sind als nur eine dekorative Ergänzung.
Die Unmittelbarkeit der Bilder
Bereits seit den 1970er Jahren ist es kognitionspsychologisch erwiesen, dass Bilder schneller wahrgenommen werden als Text (picture superiority effect). Ein gut gewähltes Bild kann also einen bleibenden Eindruck hinterlassen und die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Zwar "sagt ein Bild tausend Worte" aber – um mit den Kommunikationsforscher Petersen und Schwender zu sprechen – wir wissen eben nicht immer welche. Ein wichtiger Grund dafür liegt darin, dass Bildern eine Eigenlogik zugrunde liegt, die sich von der sprachlichen Linearität unterscheidet und sich in Gleichzeitigkeiten von Seherfahrungen ausdrückt. Bilder verdichten komplexe Sachverhalte und können Informationen stark vereinfachen. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Sachverhalt dadurch auch vollständig dargestellt wird – Bilder bieten stets auch eine fokussierte Version von Wirklichkeit(en). Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir verstehen, wie Bilder gezielt eingesetzt werden, um die beabsichtigte Botschaft zu vermitteln. Diese Fähigkeit bezeichnet man nach dem Bilddidaktiker Florian Schaper als Bildkompetenz.
Was macht also ein gutes Bild aus? Nach der Soziologin, Bildredakteurin und Bildforscherin Heike Kanter erfüllt ein gutes Bild zunächst seinen Zweck – oder im Umkehrschluss: der Zweck bestimmt das Bild. Wenn ein Bild diesen Zweck nicht erfüllt, verliert es im Verwendungskontext an Bedeutung. Wie aber kann ein Bild diesen Zweck erfüllen?
Wie wird das Gezeigte gezeigt?
Wenn ein Unternehmen oder eine Organisation einen bleibenden Eindruck hinterlassen möchte, ist es naheliegend, auf Bilder zu setzen. Im Gegensatz zu Texten, die zunächst gelesen und verstanden werden müssen, entfalten Bilder ihre Wirkung unmittelbar, das habe ich in der Einleitung als den picture superiority effect eingeführt. Sie sprechen nicht nur den Verstand, sondern auch die Emotionen des Betrachters an. Sie haben eine eigene, visuelle Logik, die nicht unmittelbar durch Worte repliziert werden kann.
Bilder haben die Kraft, eine sofortige Assoziation zu wecken, Emotionen zu verstärken oder eine bestimmte Atmosphäre zu erzeugen. Sie sind nicht nur passive Informationsüberträger, sondern aktive Gestaltungsmittel, die die Wahrnehmung beeinflussen und lenken. Die Wahl eines Bildes – sei es in der Werbung, in der Kunst oder in der Medienkommunikation – hat stets eine bestimmte Wirkung auf den Betrachter und kann eine ganz bestimmte Botschaft transportieren. Dabei spielt auch die Wahl des Aus- und Zuschnitts eine Rolle, die Farbgebung und die Aufteilung und Ausrichtung der einzelnen Bildelemente.
Ein wichtiger Aspekt in der Bildgestaltung ist der Unterschied zwischen Fotografien und Illustrationen. Fotografien bieten in der Regel eine hohe Eindeutigkeit und haben einen klaren Darstellungsanspruch von Realität. Sie sind relativ einfach zu lesen, da sie (oft) die Welt so zeigen, wie wir sie kennen. Ihnen wird aufgrund der vermeintlichen Objektivität ein Wahrheitsgehalt zugeschrieben. Illustrationen oder abstraktere Bilder hingegen erfordern mehr Interpretationsleistung. Sie sind häufig offener und reduzierter und können mehrere Deutungen zulassen, was sie besonders interessant für die Kommunikation komplexer Themen macht.

Ein Bild ist nicht nur ein simples Abbild von Realität. Es hat eine tiefere, 'innere' Struktur, die über das Sichtbare hinausgeht. Der Bildwissenschaftler Gottfried Boehm spricht in diesem Zusammenhang von der „Ikonischen Differenz“. Diese Differenz beschreibt, dass ein Bild nicht nur das zeigt, was wir sehen (zum Beispiel eine Katze), sondern auch sich selbst – durch die Art und Weise, wie das Gezeigte dargestellt wird. Die Frage ist daher nicht nur: "Was zeigt das Bild?", sondern auch: "Wie wird das Gezeigte gezeigt?“" Die Komposition des Bildes, die verwendeten Farben und Perspektiven, die Linienführung und die Platzierung der Objekte und Personen im Bild – all das trägt zur Aussage des Bildes bei.
Dominante Linien oder Perspektiven lenken den Blick des Betrachters und erzeugen eine bestimmte Dynamik oder Ruhe im Bild. Farben können Emotionen ansprechen und eine bestimmte Atmosphäre erzeugen. Die Anordnung der Personen, Objekte und Schlüsselmetaphern im Bild hilft, die erzählte Geschichte zu verdeutlichen. Eine klare, durchdachte Bildgestaltung kann die Wirkung des Bildes enorm steigern.
Diese Form der gestaltenden Sinnkonstituierung möchte ich anhand eines Bildes verdeutlichen, das ich für das Theaterstück „HNSL-GRTL" der Performing:Group am Theater im Bauturm erstellt hatte. Hier wurde ein sehr simples Bühnenbild verwendet, das über die Tänzer:innen eine starke visuelle Wirkung entfaltete. In einer Szene prallen die beiden Protagonist:innen aufeinander – die implizite Linienführung der Bildkomposition verstärkt diese Dynamik. Die dominanten Linien treffen sich am emotional dichten Mittelpunkt der Geschichte, was die Spannung und das Drama in dieser Szene visuell unterstützt. Verstärkt wird das ganze zusätzlich dadurch, dass ich den Aufprall leicht außerhalb des planimetrischen Zentrums (der Bildmitte) platziert habe. Gewöhnlich wird ein Bild durch "Mittigkeit" langweilig. Die inhärente und dynamische Linienführung und die leichte Akzentverschiebung im Bild hebt diese Langeweile wieder auf.
Next Level: In Serie denken
Es reicht nicht aus, nur ein einzelnes Bild präzise zu gestalten, auch wenn das bei Pressemitteilungen oft zentral ist. Ein entscheidender Schritt für nachhaltige Bildkommunikation ist es, eine konsistente Bildstrategie zu entwickeln, die über eine Serie hinweg eine durchgängige Erzählung unterstützt. Ob in der Werbung, in sozialen Medien oder in einem anderen visuellen Projekt – die Bilder sollten zusammen eine klare, kohärente Botschaft vermitteln, die die beabsichtigte Erzählung stärkt. Wenn meine Mitarbeiter:innenportraits von unterschiedlicher Qualität sind, hinterlässt das einen weniger zusammenhängenden Eindruck, als wenn sich Hintergründe, Zuschnitte, Einstellungsgrößen, Wahl der Kleidung etc. gleichen.
Die Wahl der Bildsprache entscheidet dabei nicht nur über die Dynamik und Ruhe eines Bildes, sondern auch über den Fokus der Erzählung. Sie beeinflusst maßgeblich, wie eine Botschaft wahrgenommen wird. Wenn ein Bild nicht dieselbe Botschaft vermittelt wie die zugrunde liegende Kommunikation, leidet die gesamte Aussage. Bildsprache ist daher mehr als nur eine optische Zierde – sie ist ein zentrales Werkzeug, das die Verständlichkeit und Wirkung einer Kommunikationsstrategie stärkt.
Die präzise Wahl und Gestaltung von Bildern ist somit nicht nur eine Kunst, sondern eine strategische Entscheidung, die weitreichende Auswirkungen auf die Wahrnehmung und Wirkung einer Botschaft hat. In einer Welt, die zunehmend von visuellen Eindrücken geprägt ist, ist Bildsprache zu einem unverzichtbaren Bestandteil jeder erfolgreichen Kommunikationsstrategie geworden.